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Betriebsräte sind nur noch in 7 Prozent der Betriebe anzutreffen. Der Verbreitungsgrad ist im langfristigen Trend deutlich gesunken. Dies ist jedoch nicht mit fehlenden angemessenen Partizipationsmöglichkeiten gleichzusetzen. Vielerorts existieren alternative Formen der Interessenvertretung oder die Beschäftigten sind direkt an Entscheidungsprozessen beteiligt, die die eigenen relevanten Belange berühren. Die Einrichtung eines Betriebsrats setzt die Initiative der Beschäftigten voraus. Die empirische Analyse auf Basis der IW-Beschäftigtenbefragung 2024 zeigt, dass der Wunsch, sich von einem Betriebsrat vertreten zu lassen, negativ mit dem Ausmaß der Arbeitszufriedenheit korreliert. Von den Arbeitnehmern, die sich einen Betriebsrat wünschen, sind zwei Drittel mit ihrer Arbeit zufrieden. Unter den Beschäftigten ohne einen solchen Wunsch sind es hingegen neun von zehn. Die stabil hohe Arbeitszufriedenheit in Deutschland kann daher erklären, warum die Beschäftigten vielerorts auf eine institutionalisierte Mitbestimmung verzichten und warum im Zeitablauf die Neugründungsrate von Betriebsräten nicht mit deren natürlicher Abgangsrate im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Betrieben aus dem Markt Schritt gehalten hat. Betriebsratsgründungen erfolgen häufig in stürmischen, unter Umständen konfliktgeladenen Zeiten. Auch hierfür finden sich in der IW-Beschäftigtenbefragung 2024 Hinweise. Der Wunsch nach einer Vertretung durch einen Betriebsrat wird wahrscheinlicher, wenn die Beschäftigten eine Reorganisation erlebt haben. Letzteres trifft auf gut 28 Prozent der Beschäftigten mit einem Vertretungswunsch zu. Dagegen sind lediglich knapp 16 Prozent der Arbeitnehmer ohne einen derartigen Wunsch von einer Reorganisation betroffen gewesen. In diesem Zusammenhang spielt eine große Rolle, wie der Transformationsprozess aus Sicht der Betroffenen wahrgenommen wurde. Wo die Mitarbeiter eines Unternehmens verstanden haben, warum eine Veränderung notwendig war, eigene Ideen einbringen konnten, sich über die Ziele des Managements klar waren und das Gefühl hatten, dass man ihre bisherigen Leistungen und Erfahrungen respektiert hatte, besteht seltener der Wunsch nach einer Vertretung durch einen Betriebsrat. Eine Pflicht oder ein Zwang zur Wahl einer betrieblichen Interessenvertretung existiert vor diesem Hintergrund aus guten Gründen nicht. Die Orientierung an einem Leitstern, wonach einzig die Einrichtung gegen den Willen bzw. unabhängig von der Haltung einer Geschäftsführung echte Mitbestimmung darstellt, führt nicht zum Ziel einer stärkeren Verbreitung von Betriebsräten. Wenn die Politik diese effektiv fördern möchte, muss die Attraktivität der betrieblichen Mitbestimmung auch für die Arbeitgeberseite steigen. Eine Geschäftsführung hätte ein Interesse, zu einem Zeitpunkt aktiv für die Wahl eines Betriebsrats zu werben, zu dem das gemeinsame Interesse von Beschäftigten und Betrieben im Vordergrund steht und nicht ein Konflikt. Das ist aber grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Nutzen eines Betriebsrats für den Arbeitgeber zunimmt und die Kosten der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes sinken. Letztere sind nämlich einzig von ihm zu tragen. Die Möglichkeiten, Gremiengrößen anzupassen sowie Betriebsratswahlen und Betriebsratsarbeit digital organisieren zu lassen, kann einen wirkungsvollen Beitrag zur Absenkung der direkten Kosten der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes leisten, ohne eine effektive betriebliche Mitbestimmung in Frage zu stellen. Durch angemessene Fristenregelungen können auch Mitbestimmungsprozesse beschleunigt und indirekte Kosten der Betriebsverfassung reduziert werden.
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