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- Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose
Abstract
Am 2. Oktober 2019 stellte die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose in Berlin ihr Herbstgutachten der Presse vor. Die Konjunktur in Deutschland hat sich im laufenden Jahr weiter abgekühlt. In beiden Quartalen des Sommerhalbjahrs dürfte die Wirtschaftsleistung geschrumpft sein. Seit Einsetzen des Abschwungs zur Jahreswende 2017/2018 ist nunmehr ein Großteil der zuvor recht deutlichen Überauslastung der Produktionskapazitäten abgebaut. Die Gründe für die konjunkturelle Abkühlung sind in erster Linie in der Industrie zu suchen. Dort ist die Produktion seit Mitte letzten Jahres rückläufig, da sich die Nachfrage insbesondere nach Investitionsgütern in wichtigen Absatzmärkten abgeschwächt hat. Allmählich strahlt die Industrierezession auch auf die unternehmensnahen Dienstleister aus. Die Institute erwarten für das Jahr 2019 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 0,5%, und damit 0,3 Prozentpunkte weniger als noch im Frühjahr 2019. Für das kommende Jahr wird der Zuwachs ebenfalls schwächer eingeschätzt, nämlich auf 1,1% nach noch 1,8% im Frühjahr. Eine Konjunkturkrise mit einer ausgeprägten Unterauslastung der deutschen Wirtschaft ist somit trotz rückläufiger Wirtschaftsleistung im Sommerhalbjahr 2019 nicht zu erwarten, wenngleich die konjunkturellen Abwärtsrisken derzeit hoch sind. Die internationale Konjunktur hat an Dynamik verloren. Der Warenhandel ist bereits seit Herbst 2018 rückläufig. Seit Jahresanfang stagniert global die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe, in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist sie sogar gesunken. Dem stehen allerdings weiterhin deutlich expandierende Dienstleistungen gegenüber. Dies ist auf eine vielerorts robuste Konsumgüternachfrage zurückzuführen. Die privaten Haushalte profitieren von kräftigeren Lohnzuwächsen und der guten Arbeitsmarktlage, denn die weltweite Beschäftigung hat trotz der schwachen Produktionsentwicklung in der Industrie auch zuletzt noch zugelegt. Der Rückgang des Welthandels und der Abschwung im Verarbeitenden Gewerbe dürften vor allem eine Folge der von den USA ausgehenden handelspolitischen Konflikte sein. Insbesondere reduzierte der Konflikt zwischen den USA und China den Warenaustausch zwischen diesen beiden Ländern drastisch. Von Januar bis Juli 2019 fielen die US-Ausfuhren nach China gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 18%, die chinesischen Ausfuhren in die USA um 12%. Dies wirkt sich auch auf Drittstaaten aus. Nicht zuletzt leidet der innereuropäische Handel unter den Wirren um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die Handelskonflikte belasten die Weltwirtschaft auch dadurch, dass sie die politischen Rahmenbedingungen für den Außenhandel unsicher machen. Hohe Unsicherheit dämpft die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. So hat sich die Dynamik der Investitionstätigkeit in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in den vergangenen Quartalen denn auch deutlich abgeschwächt. Die erhöhte Unsicherheit belastet dabei insbesondere die Industrieproduktion und den Welthandel. Auch die gegenwärtigen Probleme der Automobilbranche schlagen auf den internationalen Handel durch. Neben zyklischen Faktoren rückt in vielen Ländern der Übergang zu neuen Antriebstechniken verstärkt in die öffentliche Debatte. Dies könnte zu einer geringeren Dynamik bei den Käufen von Autos mit Verbrennungsmotor beigetragen haben. Zudem liefen in China im Jahr 2018 die Steuerermäßigungen auf Pkw-Käufe aus. Parallel zur nachlassenden Industriekonjunktur sind die Rohstoffpreise gesunken, und einige wichtige Industriemetalle wie Kupfer sind billiger geworden. Auch der Ölpreis war trotz des Konflikts am Persischen Golf von über 70 US-Dollar je Barrel im April auf etwa 60 US-Dollar gefallen. Trotz der jüngsten Anschläge auf zentrale Produktionsstätten Saudi-Arabiens war der Ölpreis mit rund 63 US-Dollar je Barrel Ende September immer noch mehr als 15% niedriger als vor einem Jahr. Die gesunkenen Energiepreise dämpften vielerorts den Auftrieb der Verbraucherpreise. Dagegen haben sich die Kerninflationsraten (ohne Energie und unverarbeitete Lebensmittel) in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften kaum bewegt. Nur in den USA ist der bereinigte Preisauftrieb zuletzt deutlich auf 2,4% gestiegen. In den Schwellenländern ist die Kerninflationsrate seit Oktober 2018 wieder rückläufig. Viele Zentralbanken reagierten auf die konjunkturelle Abschwächung mit einer Wiederaufnahme oder einer Ausweitung expansiver geldpolitischer Maßnahmen. Für die kommenden Quartale ist mit weiteren geldpolitischen Impulsen vor allem aus den USA zu rechnen. Die expansivere Geldpolitik ließ die kurzfristigen Zinsen fallen, und der Rückgang der langfristigen Renditen setzte sich fort. Der Rückgang dürfte Ausdruck der konjunkturellen Verschlechterung sein, offensichtlich rechnen die Akteure an den Finanzmärkten aber auch mit dauerhaft sehr niedrigen Zinsen, auch in realer Rechnung. Gegenwärtig liegt die Rendite für US-Staatstitel mit zehnjähriger Laufzeit sogar etwas unterhalb von solchen mit dreimonatiger Laufzeit. In der Vergangenheit war eine solche Zinsinversion für die USA ein recht zuverlässiger Indikator für eine baldige Rezession. Allerdings versuchen die Zentralbanken gegenwärtig, anders als früher, gezielt die langfristigen Renditen zu drücken. Auch die Finanzpolitik bleibt weltweit tendenziell expansiv ausgerichtet. Die Konjunktur in Deutschland hat sich im laufenden Jahr weiter abgekühlt. In beiden Quartalen des Sommerhalbjahrs dürfte die Wirtschaftsleistung geschrumpft sein. Seit dem Einsetzen des Abschwungs zur Jahreswende 2017/2018 ist nunmehr ein Großteil der zuvor recht deutlichen Überauslastung der Produktionskapazitäten abgebaut. Die Auslastung liegt immer noch etwas über dem langjährigen Durchschnitt, von einer Konjunkturkrise kann also nicht gesprochen werden. Allerdings befindet sich die Industrie in der Rezession, ihre Produktion ist seit gut eineinhalb Jahren rückläufig, was maßgeblich für die konjunkturelle Schwäche ist. Wurde diese zunächst vor allem auf vorübergehende Belastungsfaktoren in einzelnen Branchen zurückgeführt, hat der Abwärtssog mittlerweile das gesamte Verarbeitende Gewerbe erfasst. Hierfür gibt es mehrere Ursachen. Angesichts der noch im Frühjahr 2018 sehr stark ausgelasteten Kapazitäten war ein Nachlassen der Dynamik bereits angelegt. Zudem haben die Handelskonflikte der USA mit China und der EU sowie die Unklarheit über die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU die Unsicherheit erhöht, mit negativen Folgen für die Investitionen weltweit. Dies findet Niederschlag in einer weltweiten Schwäche der Industrieproduktion, die in Deutschland wegen der großen Bedeutung der Investitionsgüterproduktion besonders ausgeprägt ist. So ist im Kraftfahrzeugbau die Produktion seit Mitte 2018 um über 20% eingebrochen. Dazu beigetragen haben dürfte, neben zyklischen Faktoren, auch der signifikante Technologiewandel auf dem globalen Automobilmarkt. Die rezessiven Tendenzen im Verarbeitenden Gewerbe strahlen mittlerweile auf die unternehmensnahen Dienstleistungen aus. Die Institute revidieren ihre Prognose gegenüber dem Frühjahr 2019 nach unten. Zwar wurde die Prognose für die globale Wirtschaftsleistung kaum verändert. Allerdings stellen sich Industrieproduktion und Welthandel schwächer dar als im Frühjahr vorhergesagt, was sich wegen der Exportorientierung der deutschen Wirtschaft entsprechend stark in der gesamtwirtschaftlichen Produktion niederschlägt. Die Institute erwarten für das Jahr 2019 eine Expansionsrate des Bruttoinlandsprodukts von 0,5% und damit 0,3 Prozentpunkte weniger als noch im Frühjahr prognostiziert.
Suggested Citation
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2019.
"Industrie in der Rezession – Wachstumskräfte schwinden,"
ifo Schnelldienst, ifo Institute - Leibniz Institute for Economic Research at the University of Munich, vol. 72(19), pages 03-74, October.
Handle:
RePEc:ces:ifosdt:v:72:y:2019:i:19:p:03-74
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Cited by:
- Brautzsch, Hans-Ulrich & Dany-Knedlik, Geraldine & Drygalla, Andrej & Gebauer, Stefan & Holtemöller, Oliver & Kämpfe, Martina & Lindner, Axel & Michelsen, Claus & Rieth, Malte & Schlaak, Thore, 2019.
"Kurzfristige ökonomische Effekte eines "Brexit" auf die deutsche Wirtschaft: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie,"
IWH Online
3/2019, Halle Institute for Economic Research (IWH).
- Barabas, György & Isaak, Niklas & Micheli, Martin, 2019.
"Projektion der Wirtschaftsentwicklung bis 2024: Potenzialwachstum wenig dynamisch,"
RWI Konjunkturberichte, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, vol. 70(4), pages 23-33.
- Timo Wollmershäuser & Florian Eckert & Marcell Göttert & Christian Grimme & Carla Krolage & Stefan Lautenbacher & Robert Lehmann & Sebastian Link & Heiner Mikosch & Stefan Neuwirth & Wolfgang Nierhaus, 2019.
"ifo Konjunkturprognose Winter 2019: Deutsche Konjunktur stabilisiert sich,"
ifo Schnelldienst, ifo Institute - Leibniz Institute for Economic Research at the University of Munich, vol. 72(24), pages 27-89, December.
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