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In den medizinischen Versorgungssystemen der westlichen Industrieländer wird zunehmend durch prospektive Finanzierungsweisen das wirtschaftliche Behandlungsrisiko tendenziell auf die Anbieter medizinischer und pflegerischer Dienstleistungen verlagert. Deren wirtschaftlicher Erfolg hängt dann davon ab, wie weit der Ressourcenverbrauch unter den fixierten Preisen, Fallpauschalen oder Budgets liegt. Bei den institutionellen Anpassungsstrategien wird die Steuerung der Arztentscheidungen nach ökonomischen Normen zum Dreh- und Angelpunkt. Die wichtigsten Instrumente dieses 'Mikromanagements' sind monetäre Anreize für Ärzte, Vorgaben und Kontrollen ihres Leistungsverhaltens (Guidelines, Utilization Reviews) und organisatorische Arrangements wie das des obligatorischen Primärarztes als 'Gatekeeper'. Am Beispiel der monetären Anreize wird gezeigt, wie die Ärzte in diesem Kontext in strukturelle Interessenkonflikte geraten zwischen der Loyalität zum Patienten bzw. den ethischen Erwartungen der Gesellschaft und den institutionalisierten Einkommensinteressen. Als moralische 'externe Effekte' der institutionellen Ökonomisierung stehen das öffentliche Gut, Vertrauen haben zu können, sowie die Chance, im Bedarfsfall auf einen loyalen Arzt zu treffen, auf dem Spiel. Das ethische Hauptproblem der künftigen Medizin sind primär nicht die 'dramatischen' Entscheidungen in der Intensivmedizin und das individuelle Verhalten, sondern die Alltagsentscheidungen in Kliniken und Arztpraxen, die Überweisungen und Einweisungen, Verschreibungen, Anordnung kostenträchtiger Diagnostik usw. Diesem Problem angemessen ist eine sozialwissenschaftlich fundierte 'Systemethik', der es vor allem um jene Vor- Entscheidungen geht, die bereits in den Organisationsstrukturen mit ihren finanziellen Anreizoder Sanktionsmechanismen enthalten sind. Sie legen Entscheidungen oft unmerklich nahe, nehmen sie vorweg oder nötigen sie - meist im Gewand von 'Sachzwängen' - auf und entziehen sie damit der kritischen Reflexion und bewußten Gestaltung. Es handelt sich bei diesem Papier um eine erweiterte und überarbeitete Fassung eines Vortrages bei dem Symposium Gesundheitspolitik - Gefahr für die Gesundheit? der Evangelischen Akademie Bad Segeberg am 22.-23. 5.1996.
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