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Abstract
Die Anschläge des 11. September 2001 bedeuten eine Zäsur in der Geschichte des Terrorismus'. Sie sind der dramatische Ausdruck eines "neuen" Terrorismus', der sich sukzessive im Laufe der 1990er Jahre entwickelt hat. Die Studie befasst sich mit den folgenden Fragen: Wie läßt sich dieser "neue" Terrorismus beschreiben und verstehen? Wie unterscheidet er sich von anderen, bekannten Typen des Terrorismus' sowie von verwandten Formen politischer Gewalt? Worin bestehen seine besonderen Charakteristika und Strukturen? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die nationale und internationale Terrorbekämpfung? Der "neue" Terrorismus, der eine Weiterentwicklung des herkömmlichen nationalen / internen Terrorismus sowie des international operierenden Terrorismus der 1970er und 1980er Jahre darstellt, wird in dieser Studie transnationaler Terrorismus genannt. Erst der transnationale Terrorismus, paradigmatisch verkörpert durch das islamistische Netzwerk Al-Qaida ,erreicht ein globales Gefährdungspotential, während der nach wie vor virulente Terrorismus "alten" Typs im wesentlichen lokale oder regionale Probleme aufwirft. Der transnationale Terrorismus unterscheidet sich von seinen Vorläufern in folgenden Aspekten: Er verfolgt die Zielsetzung, primär die bestehende internationale Ordnung - und eben nicht eine spezifische nationale Ordnung - zu attackieren, weshalb sich dieser Terrorismus in erster Linie gegen jene richtet, die eine Vormachtstellung in der Welt ausüben. Er setzt als einigendes Band auf eine transnationale Ideologie, die es ermöglicht, Kämpfer und Attentäter mit unterschiedlichem nationalem, ethnischem, kulturellem oder sprachlichem Hintergrund zu einer handlungsfähigen (Glaubens-)Gemeinschaft zusammenzuschweißen. Seine spezifische Organisationsform sind dezentrale, netzwerkartige Strukturen, die sich über den gesamten Globus erstrecken, wenn auch mit regionalen Schwerpunkten. Dabei sind Leitungsebene, "Operateure", Terrorzellen sowie assoziierte und "befreundete" Terrorgruppen in unterschiedlicher Intensität miteinander verbunden. Auszugehen ist von einem Modell, bei dem mehrere Knotenpunkte hochgradig miteinander vernetzt sind, während andere Teile des gesamten Netzwerkes halb-autonom agieren, ohne daß jedoch die Führungsebene gänzlich an Kontrolle oder Einfluß verliert. Beim transnationalen Terrorismus handelt es sich zudem um ein multi-nationales Unternehmen, wie sich an der weltweiten Rekrutierung von Personal zeigt. Er verfügt über mehrere legale oder illegale Finanzquellen und nutzt zahlreiche Finanzierungswege und wird zudem vorrangig von nicht-staatlichen Akteuren unterstützt. Seine taktische Vorgehensweise versetzt ihn in die Lage, mehrere Anschläge parallel zu planen und zeitgleich an unterschiedlichen Orten durchzuführen. Das Zerstörungspotential ist deutlich höher als bei herkömmlichen Terrorgruppen. Dies betrifft sowohl die Bereitschaft als auch die operativen Fähigkeiten zur Zerstörung. Einkalkuliert werden dabei nicht nur eine hohe Zahl an Todesopfern, sondern auch ökonomische, soziale und psychologische Folgen. Dieses Profil des transnationalen Terrorismus erschwert in mehrfacher Hinsicht die nationale und internationale Terrorbekämpfung und stellt Erfahrungen der Vergangenheit auf den Prüfstand. Die wichtigsten Herausforderungen bestehen darin, auf ein verändertes Tatprofil (Art und Weise der Anschläge), auf ein verändertes Täterprofil, auf dezentrale Netzwerkstrukturen, auf eine Diversität an Finanzquellen, auf schwer greifbare, nicht-staatliche Unterstützer und Förderer sowie auf die besonderen taktischen Fähigkeiten reagieren zu müssen. Erforderlich sind Maßnahmen der operativen wie auch der strukturellen Terrorbekämpfung. Erstere setzen auf die repressive Bekämpfung bestehender, manifester Terrorgruppen und die Verhinderung von Anschlägen, letztere auf die Bekämpfung von Ursachen und begünstigenden Rahmenbedingungen. (SWP-Studie / SWP)
Suggested Citation
Schneckener, Ulrich, 2002.
"Netzwerke des Terrors: Charakter und Strukturen des transnationalen Terrorismus,"
SWP-Studien
S 42/2002, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), German Institute for International and Security Affairs.
Handle:
RePEc:zbw:swpstu:s422002
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