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Wenige Monate vor ihrem für November 2002 in Prag geplanten Gipfeltreffen wird erwartet, daß die NATO zum zweiten Mal nach dem Ende des Kalten Krieges eine Erweiterung des Bündnisses nach Osten beschließt. In der Folge der Terrorangriffe auf das World Trade Center am 11. September 2001 hat sich das Bündnis bereits auf eine Erweiterungslösung im Stil eines "big bang" festgelegt, die Aufnahme also von sieben Kandidatenstaaten: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. In Kreisen der Mitgliedsländer wurden allerdings Überlegungen angestellt, ob konkret nicht dennoch differenziert vorgegangen werden sollte. Das zur Diskussion gestellte "Regatta-Modell" sah vor, daß die Prozedur der Ratifizierung der NATO-Beitrittsverträge mit den im November einzuladenden sieben Staaten dazu genutzt werden soll, deren Beitritt zeitlich zu staffeln. Auf dem Treffen des Nordatlantikrates in Reykjavik im Mai 2002 konnten sich die Befürworter des Regatta-Modells nicht durchsetzen. Aber eine Gefahr besteht insofern noch, als einzelne NATO-Mitglieder das bilaterale Ratifizierungsverfahren bei einzelnen Kandidaten hinauszögern könnten. In dieser Studie sollen die möglichen Auswirkungen einer solchen Politik am Beispiel Rumäniens analysiert werden, dem man - wie auch Bulgarien - vor dem Angriff auf das World Trade Center nur sehr geringe Beitrittschancen in Prag eingeräumt hatte. Wenn die Erweiterung des westlichen Bündnisses dazu dienen soll, die Glaubwürdigkeit der Allianz zu betonen, die Sicherheit ihrer Mitglieder zu maximieren und in die beitrittswilligen Staaten und deren regionales Umfeld zu projizieren, wäre eine Politik nach dem Regatta-Modell aus drei Gründen sachlich nicht gerechtfertigt und politisch kontraproduktiv: Vorsprung bei der Erfüllung militärischer Beitrittskriterien: Rumänien als einer der Kandidaten der zweiten Runde der NATO-Osterweiterung ist erheblich besser auf den Beitritt vorbereitet, als es die drei Kandidaten der ersten Runde waren. Seine aktive Teilnahme an zahlreichen friedenserhaltenden Maßnahmen und - als einziger Kandidatenstaat - mit Kampfverbänden am Afghanistan-Einsatz "Enduring Freedom" kann als ein Indiz dafür gewertet werden, daß Bukarest seine "Hausaufgaben" bei der Streitkräftereform tatsächlich gemacht hat. De-facto-Alliierter des Bündnisses: Trotz des Schocks, den die Zurückweisung seines Beitrittsgesuchs auf dem Madrider NATO-Gipfel auslöste, erwies Rumänien sich in der Kosovo-Krise und nach den Anschlägen auf das World Trade Center unabhängig von der politischen Färbung der jeweiligen Bukarester Regierung als loyaler De-facto-Alliierter des westlichen Bündnisses. Vermeidung politischer Risiken für regionale Stabilität: Eine Beitrittsstrategie nach dem Muster der Differenzierung durch Ratifizierung würde zusätzliche Risiken für die interne Sicherheit Rumäniens, aber auch für die Stabilität in der Region schaffen. Daher wird empfohlen, Rumänien und die anderen Anwärterstaaten ohne weitere taktische Verzögerungen in die NATO aufzunehmen. Im Falle Rumäniens könnten die zunehmend wahrgenommene geostrategische Bedeutung, die Leistungen der Streitkräfte-Reform, das kooperative Krisenverhalten, die wachsende Interoperabilität und die hohe Akzeptanz des NATO-Beitritts in der Bevölkerung dazu beitragen, daß der durch die NATO-Mitgliedschaft zu erwartende gesellschafts- und wirtschaftspolitische Stabilisierungseffekt rasch und nachhaltig zur Entfaltung kommt. Ein solcher Effekt würde sich auf die gesamte Region und darüber hinaus positiv auswirken. (SWP-Studie / SWP)
Suggested Citation
Gabanyi, Anneli Ute, 2002.
"Rumänien vor dem NATO-Beitritt,"
SWP-Studien
S 32/2002, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), German Institute for International and Security Affairs.
Handle:
RePEc:zbw:swpstu:s322002
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