Author
Abstract
Mit der näherrückenden Erweiterung der EU nach Osten zeichnet sich die Perspektive ab, daß die russische Exklave Kaliningrad auch formal zu einer von Polen und Litauen umgrenzten Enklave der Union wird. Dieser Prozeß stellt alle Beteiligten von schwierige Probleme, zumal sich das Gebiet sozial-ökonomisch ohnehin weiter im Abschwung befindet. Grob gesprochen zeichnen sich zwei Szenarien ab. Kommt eine Vereinbarung zwischen Rußland und der EU nicht zustande, so würde Kaliningrad im prosperierenden Ostseeraum zu einer chronischen Quelle von Unberechenbarkeit, Instabilität und weiter zunehmender Kriminalität. Ausländische Investoren würden sich in dem Gebiet - wie bisher schon - allenfalls begrenzt engagieren. In einem positiven Szenario dagegen könnte der Wirtschaftsstandort Kaliningrad als Knotenpunkt von Verkehrsverbindungen, Handelsaktivitäten und modernem Dienstleistungswesen im Ostseeraum Profil gewinnen. Das Gebiet könnte zum Modell für eine praktizierte und nicht nur nominelle Partnerschaft EU-Rußland werden. Vor diesem Hintergrund hat die EU Moskau Anfang 2001 konkrete Vorstellungen über die Zukunft Kaliningrads als integralem Bestandteil der Russischen Föderation übermittelt. Moskau seinerseits hatte Kaliningrad zwar bereits im Oktober 1999 in den Rang einer "Pilotregion" für die Beziehungen Rußland-EU erhoben. Anschließend versäumte es seine Führung jedoch, ein schlüssiges Gesamtkonzept für Kaliningrad zu entwickeln, das Vorstellungen und Ressourcen beider Seiten miteinander verzahnt hätte. Erst eine Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrats zu Kaliningrad vom Juli 2001, auf der zugleich eine engere Anbindung des Gebiets an die Moskauer Zentrale beschlossen wurde, gab wichtige Anstöße in diese Richtung. Im Vordergrund der Studie stehen die politischen Beziehungen Moskau-Kaliningrad, die Probleme des sensitiven Visa- und Grenzregimes sowie der ökonomische Abschwung Kaliningrads einschließlich der nur unzureichend funktionierenden Sonderwirtschaftszone. Auf dieser Grundlage werden eine Reihe von Empfehlungen für einvernehmliche Regelungen zentraler Aspekte des Komplexes "Kaliningrad" entwickelt: Angestrebt werden müssen einvernehmliche Regelungen für das Grenz-, Visa- und Transitregime, die einerseits eine zuverlässige Sicherung der EU-Außengrenzen gewährleisten und andererseits dem Bedürfnis nach erleichtertem Grenzübertritt entgegenkommen. Hinzukommen muß die Umwandlung der als Kompensation für die schwierige Exklavenlage angelegten Sonderwirtschaftszone von einer rentenorientierten Handelszone in eine für Auslandsinvestitionen attraktive Produktions- und Dienstleistungszone. Dringend wären Übereinkommen EU-Rußland über weitere für Kaliningrad lebenswichtige Probleme, zum Beispiel: Sicherung der Energieversorgung, Modernisierung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, massive Anstrengungen zu Schutz der Umwelt. Im Rahmen ihrer Initiative "Nördliche Dimension" und in enger Kooperation mit dem Ostseerat sollte die EU ihre Strategie der Einbeziehung Kaliningrads in die regionalen Netzwerke und Kommunikationsströme konsequent weiterentwickeln sowie eine Teilintegration des Gebiets in den europäischen Wirtschaftsraum ins Auge fassen. Dem russischen Partner sollte vor Augen geführt werden: Die Teilintegration kann nur dann gelingen, wenn Moskau selbst eine überzeugende und berechenbare Strategie zu Kaliningrad entwickelt. Materielle EU-Förderung für das Gebiet sollte projektbezogen und dabei nur in dem Maße gewährt werden, wie sich auch Moskau substantiell in Kaliningrad engagiert. Nicht einseitiges, sondern gemeinsames gezieltes Handeln bietet am ehesten Chancen, die sozial-ökonomische Lage in Kaliningrad zu verbessern. Dazu sollten auf EU-Seite die Förderprogramme Tacis, Phare und Interreg besser miteinander verklammert und die Internationalen Finanzinstitutionen stärker zur Projektarbeit herangezogen werden. Erfolgreiche Regelungen für Kaliningrad sind nicht zuletzt deshalb schwierig zu erreichen, weil in Moskau und Kalin
Suggested Citation
Timmermann, Heinz, 2001.
"Kaliningrad: Eine Pilotregion für die Gestaltung der Partnerschaft EU-Rußland?,"
SWP-Studien
S 23/2001, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), German Institute for International and Security Affairs.
Handle:
RePEc:zbw:swpstu:s232001
Download full text from publisher
Corrections
All material on this site has been provided by the respective publishers and authors. You can help correct errors and omissions. When requesting a correction, please mention this item's handle: RePEc:zbw:swpstu:s232001. See general information about how to correct material in RePEc.
If you have authored this item and are not yet registered with RePEc, we encourage you to do it here. This allows to link your profile to this item. It also allows you to accept potential citations to this item that we are uncertain about.
We have no bibliographic references for this item. You can help adding them by using this form .
If you know of missing items citing this one, you can help us creating those links by adding the relevant references in the same way as above, for each refering item. If you are a registered author of this item, you may also want to check the "citations" tab in your RePEc Author Service profile, as there may be some citations waiting for confirmation.
For technical questions regarding this item, or to correct its authors, title, abstract, bibliographic or download information, contact: ZBW - Leibniz Information Centre for Economics (email available below). General contact details of provider: https://www.swp-berlin.org/ .
Please note that corrections may take a couple of weeks to filter through
the various RePEc services.