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Abstract
Das Verhältnis zwischen China und Rußland war in den 90er Jahren unter der Präsidentschaft Boris Jelzins von zunehmender Annäherung geprägt. Ab 1996 bezeichneten sich beide Staaten sogar als "strategische Partner mit Blick auf das 21. Jahrhundert". Nach dem Amtsantritt Vladimir Putins als Präsident stellte sich die Frage, ob Rußland seinen außenpolitischen Kurs gegenüber Beijing ändern würde - entweder in Richtung einer Distanzierung oder in Richtung eines noch deutlicheren Schulterschlusses mit Beijing. Unter Putin ließ sich zunächst keine grundlegende Neuorientierung im Verhältnis zwischen Moskau und Beijing erkennen; vielmehr konnte von einer konsequenten Fortführung der Partnerschaft gesprochen werden. Die Unterzeichnung eines neuen Freundschaftsvertrages beim Gipfeltreffen beider Staatschefs in Moskau im Juli 2001 stand für den Wunsch nach Kontinuität auf beiden Seiten. Gravierend könnten sich dagegen die Entwicklungen im Gefolge der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 auf das chinesisch-russische Verhältnis auswirken. Um die Frage zu beantworten, wie es um die Beziehungen zwischen Rußland und China tatsächlich bestellt ist, werden in der Studie unterschiedliche Interessenebenen - die bilaterale und regionale Ebene, die wirtschaftliche, die sicherheitspolitische und die weltpolitische - in ihrer Auswirkung auf das Verhältnis der beiden großen Staaten analysiert. Vor allem in der Weltpolitik demonstrierten Putin und Jiang Zemin bislang Einigkeit. Diese wird durch einen "unsichtbaren Dritten" entscheidend beeinflußt, nämlich durch die USA, gegen deren dominierende Stellung in der Welt beide - zumindest rhetorisch - Front machten. Eine Partnerschaft, die sich wesentlich aus dem konfliktbeladenen Verhältnis zu einem Dritten speisen würde, wäre allerdings auf lange Sicht nur bedingt tragfähig, da es ihr an eigener Substanz fehlt. Sie wäre als "taktisch" zu charakterisieren und geriete ins Wanken, wenn es einem der beiden Partner gelänge, eine deutliche Besserung im Verhältnis zu diesem Dritten zu erreichen. Die Terroranschläge in New York und Washington vom 11. September 2001 und ihre Folgen erwiesen sich als Einschnitt und Prüfstein auch in den chinesisch-russischen Beziehungen. Sowohl Moskau als auch Beijing boten sich damit neue Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit Washington, die sie ohne vorherige Konsultation untereinander wahrzunehmen versuchten. Zwar sehen große Teile der russischen und chinesischen Eliten in der erheblich gewachsenen Präsenz der USA in Zentral- und Südasien einen eigenen Einflußverlust und die Herausforderung ihrer Interessen. Doch Rußland rückt, obwohl dies im eigenen Land nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt, näher an den Westen heran. Die Neubestimmung des Verhältnisses zu den USA und zur NATO verfolgt China mit Mißtrauen und Sorge, denn für Beijing ist im Gefolge des 11.9. bislang allenfalls atmosphärisch eine Verbesserung in den Beziehungen zu Washington eingetreten; die Kernprobleme zwischen beiden Staaten sind nicht verschwunden. Trotz der Entwicklungen in ihrem jeweiligen Verhältnis zu Washington ist erkennbar, daß Rußland und China sich um die Fortführung eines gutnachbarschaftlichen und kooperativen Verhältnisses zueinander bemühen und dazu die im Laufe der 90er Jahre aufgebauten Konsultationsmechanismen nutzen. Denn unabhängig von ihrer jeweiligen Haltung zu den USA teilen sie wesentliche Interessen. Dazu gehören nicht nur eine sichere gemeinsame Grenze, sondern auch der Ausbau ihrer rüstungsindustriellen Beziehungen und eine verstärkte Zusammenarbeit in der Energiewirtschaft. (SWP-Studie / SWP)
Suggested Citation
Wacker, Gudrun, 2002.
"Chinesisch-russische Beziehungen unter Putin,"
SWP-Studien
S 19/2002, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), German Institute for International and Security Affairs.
Handle:
RePEc:zbw:swpstu:s192002
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