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Solidarität bedeutet in der GKV zweierlei - auf der einen Seite ein Risikoausgleich zwischen niedrigen und hohen Risiken, die alle entsprechend einer durchschnittlichen Schadenserwartung zu gleichen Bedingungen versichert werden; auf der anderen Seite ein sozialer Ausgleich, der durch die Bemessung des Beitrags nach der Höhe des individuellen beitragspflichtigen Einkommens zustande kommt. Das Solidarprinzip in der GKV kann nur dann durch eine Ausdehnung der Versicherungspflicht nachhaltig gestärkt werden, wenn zum Umstellungszeitpunkt und für die Zukunft sicher gestellt ist, dass mit den hinzukommenden Personen ein Beitragsfluss generiert wird, der die zu erwartenden zusätzlichen Leistungsausgaben in der GKV übertrifft. In abgeschwächter Form gilt eine relative Stärkung des Solidarprinzips, wenn eine drohende Deckungslücke zwischen erwarteten Beitragszahlungen und Leistungsausgaben geringer ausfällt, als bislang für das GKV-Kollektiv erwartet werden kann. In dieser zweiten Variante bleiben aber die zentralen Herausforderungen für die GKV ungelöst. Für die Frage, ob mit einer Ausweitung der Versicherungspflicht der Risikoausgleich in der GKV gestärkt werden kann (also unterdurchschnittlich hohe Risiken einbezogen werden), fehlt es bislang an empirisch gesicherten Grundlagen. Mit Blick auf die zweite Dimension des Solidaritätsprinzips, dem sozialen Ausgleich, lassen sich ebenfalls Zweifel an der Vermutung begründen, dass mit einer Integration bislang privat versicherter Personen die Beitragsbemessungsgrundlage in der GKV dauerhaft gestärkt werden kann. Bezüglich der beabsichtigten Stärkung des Solidaritätsprinzips in der GKV qua Ausweitung der Pflichtmitgliedschaft besteht also dringender Forschungsbedarf und nicht Gewissheit. Im Gegensatz zur umlagefinanzierten GKV können steigende Versorgungsausgaben zum Beispiel infolge des medizinisch-technischen Fortschritts im anwartschaftsgedeckten PKV-System dem Grunde nach nicht auf Mitglieder anderer Versichertenkollektive überwälzt werden. Vielmehr müssen privat krankenversicherte Personen das Kostensteigerungsrisiko eigenverantwortlich über höhere Prämien schultern. Das in der GKV angelegte Problem intergenerativer Lastverschiebung in einem alternden Kollektiv tritt deshalb in der PKV so nicht auf. Mehr noch, die alterungsbedingten Zusatzlasten der bislang privat Versicherten würden in einem umlagefinanzierten Bürgerversicherungsmodell künftigen Beitragszahlern zusätzlich aufgebürdet. Mit Blick auf das überproportional starke Wachstum der Ausgaben pro Kopf in der GKV leistet eine Bürgerversicherung keinen Lösungsbeitrag, weil grundlegende, anreiztheoretisch begründete Ursachen dieser Entwicklung ebenso wenig von einer Erweiterung der Pflichtversicherung tangiert werden wie die grundlegende Problematik einer alternden Bevölkerung im Umlageverfahren.
Suggested Citation
Pimpertz, Jochen, 2019.
"Bürgerversicherung - Keine Lösung für künftige Herausforderungen in der GKV,"
IW policy papers
9/2019, Institut der deutschen Wirtschaft (IW) / German Economic Institute.
Handle:
RePEc:zbw:iwkpps:92019
Note: Stellungnahme im BT-Ausschuss für Gesundheit zum Antrag "Ein System für alle - Privatversicherte in gesetzliche Krankenversicherung überführen" der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 19/9229).
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- I18 - Health, Education, and Welfare - - Health - - - Government Policy; Regulation; Public Health
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