IDEAS home Printed from https://ideas.repec.org/p/zbw/ifwkdp/79.html
   My bibliography  Save this paper

Zur Neuorientierung der staatlichen Schuldenpolitik

Author

Listed:
  • Lehment, Harmen

Abstract

Die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte hat sich seit 1973 verdoppelt. Verschuldet sich der Staat in den nächsten Jahren in dem Maße, wie es die bisherige mittelfristige Finanzplanung vorsieht, so wird die Zinslast weiter zunehmen. 1984 wird der Staat voraussichtlich mehr als 10 Prozent der Steuereinnahmen für Zinszahlungen aufwenden müssen; ein solcher Betrag entspräche etwa der Größenordnung des Verteidigungsetats. Der vom Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten vorgeschlagene Defizitabbau ist insgesamt nur geringfügig stärker als die in der mittelfristigen Finanzplanung von 1980 angestrebte Konsolidierung. Wird die Neuverschuldung in dem vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen Umfang zurückgeführt, so ist bis 1984 ebenfalls mit einem deutlichen Anstieg der Zinslast und einer damit verbundenen weiteren Einengung des haushaltspolitischen Handlungsspielraums zu rechnen; erst 1985 und danach könnte es zu einer allmählichen Verminderung der Zinslast kommen. Soll die Zinslast rascher und deutlicher abgebaut werden, als es die Finanzplanung und der Sachverständigenratsvorschlag vorsehen, so muß die Neuverschuldung in den nächsten Jahren entsprechend stärker zurückgeführt werden. So könnte man erwägen, das strukturelle Defizit der öffentlichen Haushalte in den Jahren 1983 und 1984 nicht um jeweils 10 Mrd. DM zu vermindern, wie der Sachverständigenrat vorschlägt, sondern um jeweils gut 20Mrd.DM. Ein solcher Defizitabbau wäre im übrigen vergleichsweise schwächer als die 1976/77 betriebene Konsolidierung und würde für 1984 einen ausgeglichenen öffentlichen Gesamthaushalt ermöglichen. Unter wachstumspolitischen Gesichtspunkten ist es allerdings vorteilhaft, wenn der Defizitabbau nicht wie 1976/77 vorwiegend durch eine Kürzung der öffentlichen Investitionsausgaben erfolgt. Wird dies berücksichtigt, so sind von einem Defizitabbau zusätzliche Wachstumsimpulse zu erwarten, da er die Kreditmärkte entlastet, zinssenkend wirkt und die Ausgabenstruktur im privaten Sektor zugunsten der Investitionen verändert. Auf die funktionale Einkommensverteilung wirkt sich ein Defizitabbau wegen seiner zinssenkenden Wirkung so aus, daß die Bezieher von Arbeitseinkommen und unternehmerischem Einkommen gegenüber den Beziehern von Zinseinkommen begünstigt werden. In dieser Hinsicht liegt eine geringere Kreditaufnahme des Staates auch im Interesse der Gewerkschaften. Unter außenwirtschaftlichen Aspekten trägt eine Rückführung der öffentlichen Neuverschuldung zum Abbau des derzeit bestehenden Leistungsbilanzdefizits bei. Da bei einem geringeren Kapitalimport der Bundesrepublik dem Ausland zusätzliche Mittel für Investitionen zur Verfügung stehen, ergeben sich wachstumsfördernde Aspekte für die Wirtschaft anderer Länder. Zumindest auf mittlere Sicht dürfte zudem ein die Investitionen begünstigender Defizitabbau eine reale Höherbewertung der D-Mark zur Folge haben. Die Preiswirkung eines Defizitabbaus hängt davon ab, welche speziellen Maßnahmen ergriffen werden. In einigen Fällen, so bei einer Erhöhung von Verbrauchsteuern, ergibt sich ein vorübergehender preistreibender Effekt. Eine Verbrauchsteueranhebung, die nicht zu Lasten der Geldwertstabilität gehen soll, mindert somit den Spielraum für eine Erhöhung von Erzeugerpreisen und Tariflöhnen. Stellt man auf den Nachfrageaspekt ab, so zeigt die Entwicklung in den letzten Jahren, daß die Zuwachsrate des nominalen Bruttosozialprodukts in relativ engem Zusammenhang mit der von der Bundesbank gesteuerten Zentralbankgeldmenge steht; ein systematischer Einfluß von Änderungen der strukturellen Haushaltsdefizite auf die Umlaufsgeschwindigkeit der Zentralbankgeldmenge und ein daraus ableitbarer Effekt auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist nicht erkennbar. Anderen Untersuchungen, denen zufolge kreditfinanzierte Staatsausgaben einen erheblichen Einfluß auf Nachfrage und Beschäftigung haben, ist entgegenzuhalten, daß sie die aus den Zins- und Wechselkurseffekten der Kreditaufnahme resultierenden Rückwirkungen nur unzureichend berücksichtigen.

Suggested Citation

  • Lehment, Harmen, 1981. "Zur Neuorientierung der staatlichen Schuldenpolitik," Kiel Discussion Papers 79, Kiel Institute for the World Economy (IfW Kiel).
  • Handle: RePEc:zbw:ifwkdp:79
    as

    Download full text from publisher

    File URL: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/366/1/02394725X.PDF
    Download Restriction: no
    ---><---

    Citations

    Citations are extracted by the CitEc Project, subscribe to its RSS feed for this item.
    as


    Cited by:

    1. Lehment, Harmen, 1983. "The macroeconomic implications of public sector deficits," Kiel Working Papers 168, Kiel Institute for the World Economy (IfW Kiel).

    More about this item

    Statistics

    Access and download statistics

    Corrections

    All material on this site has been provided by the respective publishers and authors. You can help correct errors and omissions. When requesting a correction, please mention this item's handle: RePEc:zbw:ifwkdp:79. See general information about how to correct material in RePEc.

    If you have authored this item and are not yet registered with RePEc, we encourage you to do it here. This allows to link your profile to this item. It also allows you to accept potential citations to this item that we are uncertain about.

    We have no bibliographic references for this item. You can help adding them by using this form .

    If you know of missing items citing this one, you can help us creating those links by adding the relevant references in the same way as above, for each refering item. If you are a registered author of this item, you may also want to check the "citations" tab in your RePEc Author Service profile, as there may be some citations waiting for confirmation.

    For technical questions regarding this item, or to correct its authors, title, abstract, bibliographic or download information, contact: ZBW - Leibniz Information Centre for Economics (email available below). General contact details of provider: https://edirc.repec.org/data/iwkiede.html .

    Please note that corrections may take a couple of weeks to filter through the various RePEc services.

    IDEAS is a RePEc service. RePEc uses bibliographic data supplied by the respective publishers.