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Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Balkanregion – Möglichkeiten und Grenzen

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  • Hubert Gabrisch

    (The Vienna Institute for International Economic Studies, wiiw)

  • Doris Hanzl-Weiss

    (The Vienna Institute for International Economic Studies, wiiw)

  • Mario Holzner

    (The Vienna Institute for International Economic Studies, wiiw)

  • Michael Landesmann

    (The Vienna Institute for International Economic Studies, wiiw)

  • Johannes Pöschl
  • Hermine Vidovic

    (The Vienna Institute for International Economic Studies, wiiw)

Abstract

Zusammenfassung Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Balkanregion – Möglichkeiten und Grenzen Die meisten Westbalkanländer haben ein hohes und in der Regel persistentes Leistungsbilanzdefizit von annähernd 10% des BIP. Reduktionen des Leistungsbilanzdefizits der letzten Jahre sind vor allem auf krisenhafte Importzurückhaltung zurückzuführen. Das durchschnittliche Westbalkanland (im Sinne des ungewichteten Durchschnitts über die sieben Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro und Serbien) hat eine Exportquote von nur 20%. In den fünf neuen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten (NMS-5) Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn wird das mehr als dreifache Niveau erreicht. Fast alle Westbalkanländer konnten aber ihre Güterexporte zuletzt im Vergleich zur Vorkrisenperiode als Anteil am BIP steigern. Während der technologiegetriebene Sektor des Maschinen- und Fahrzeugbaus den Kern der deutschen Industrie sowie jener der NMS-5 bildet, ist dieser Sektor in den Westbalkanländern sehr klein. Auch die chemische Industrie ist recht schwach entwickelt. In beiden, technologisch hochwertigen, Sektoren kam es aber zuletzt zu Exportsteigerungen. Ein Anstieg der Lohnstückkosten relativ zum deutschen Niveau bei gleichzeitiger Ausweitung der Exportanteile am EU-Markt deutet auf eine qualitative Aufwertung der Güterexporte der meisten Westbalkanstaaten hin. Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina und Mazedonien sind vergleichsweise gut in internationale Produktionsnetzwerke integriert, während Albanien, der Kosovo und Montenegro eine sehr schwache Einbindung zeigen. Rund 60% der Exporte der Westbalkanländer stammen aus lower-tech Industrien. Ähnlich zu anderen südeuropäischen Ländern davor haben auch die Westbalkanländer im letzten Jahrzehnt langsam komparative Vorteile in vielen dieser Industrien verloren und ein schrittweiser Übergang zum medium‑tech Industriesegment ist absehbar und notwendig. Der Dienstleistungssektor (einschließlich Bauwesen) ist der wichtigste Wirtschaftszweig in den Westbalkanländern. An der gesamten Wertschöpfung nimmt er zwischen 66% in Serbien und dem Kosovo und 79% in Montenegro ein, an der Beschäftigung zwischen 60% und 82%. Strukturelle Ungleichgewichte zugunsten der Bauwirtschaft und nicht handelbarer Dienstleistungssektoren bestanden vor der Krise in gewissem Ausmaße in Kroatien, Montenegro und Serbien. Während der Handel mit Gütern in den Westbalkanländern stark defizitär ist, ist die Bilanz im Dienstleistungshandel positiv. Dienstleistungsexporte spielen vor allem in Albanien, Kroatien und Montenegro eine besondere Rolle, bedingt durch den Tourismus. Der freie Dienstleistungshandel wird im Rahmen des GATS, CEFTA und der Annäherung an die EU vorangetrieben. Administrative und technische Handelsbarrieren sind noch immer für die meisten Länder der Region ein Hemmnis. Mit zunehmendem Grad der Integration in die Europäische Union verbessert sich diesbezüglich die Lage. Dasselbe gilt auch ganz allgemein für die Qualität öffentlicher Institutionen in den Bereichen Legislative, Judikatur und Exekutive. Die öffentliche Transportinfrastruktur, die meist noch ziemlich unterentwickelt ist, erfährt, zumindest was den Straßenbau anbelangt, in den letzten Jahren eine signifikante Aufwertung. Die Versorgung mit elektrischer Energie ist nur noch punktuell ein Problem. Auch die Qualität des Humankapitals ist jener der Vergleichsgruppe in den NMS-5 meist unterlegen. Die Dynamik weist allerdings in vielen Statistiken auf eine Verbesserung hin. Die technische und berufsausbildende höhere Sekundärausbildung scheint sogar in vielen Fällen weiter verbreitet zu sein als in der Vergleichsgruppe. Zu mehr angestellten Technikern führt dies allerdings nicht. Der Arbeitsmarkt der Westbalkanländer ist durch niedrige Erwerbs- und Beschäftigungsquoten bei gleichzeitig hoher und anhaltender Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Frauen und Jugendliche gehören zu den besonders benachteiligten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt. Die berufliche Ausbildung ist veraltet und kann mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht Schritt halten. Migration trägt traditionell zu einer Abfederung der Arbeitsmarktprobleme in der Region bei und Gastarbeiterüberweisungen stellen eine wichtige Einkommensquelle dar. Berufsbildende Schulen sollen aufgewertet werden, die Ausbildung der Lehrer verbessert sowie die Berufsbilder (Curricula) in Abstimmung mit den Sozialpartnern aktualisiert werden. Grundvoraussetzung für eine etwaige Einführung des dualen Ausbildungssystems ist die Unterstützung durch die Politik aber auch die Bereitschaft von geeigneten Unternehmen Jugendliche auszubilden. Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sollen intensiviert werden und zielgruppenorientiert erfolgen. Insgesamt ist der Arbeitsmarkt in einer schlechten Verfassung, auch wenn im Durchschnitt der sieben Länder des Westbalkans die Arbeitslosenquote trotz Krise auf hohen 23% konstant blieb. Dafür sind aber, zu einem guten Teil, die stagnierende Bevölkerungsentwicklung und der Alterungsprozess verantwortlich. Weitere Hinweise auf eine mangelnde Arbeitsmarkteffizienz sind neben der weitverbreiteten Migration, die hohen Anteile an der Beschäftigung in der Subsistenzlandwirtschaft und die vielen selbständig Beschäftigten. Aus dem Überangebot an freier oder prekärer Arbeitskraft erklärt sich auch, dass das Heuern und Feuern in den Betrieben des Westbalkans vom Arbeitgeber vergleichsweise flexibel gehandhabt werden kann. Lohnsetzung erfolgt am Westbalkan größtenteils in den einzelnen Betrieben, und die Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen sind tendenziell konfrontativ. Ein erhöhter Grad sozialpartnerschaftlicher Kooperation und zentralisierter Lohnsetzung könnte zu einer effizienteren und die Wettbewerbsfähigkeit fördernden Einkommenspolitik führen. Während das Angebot an Arbeitskraft am Westbalkan reichlich vorhanden ist, scheint das Angebot an Finanzierung in Folge der Krise äußerst zurückhaltend zu sein. Die realen Kreditzinssätze sind sehr hoch, der Anteil der notleidenden Kredite wächst kontinuierlich, während das Wachstum der Bankkredite zum Erliegen gekommen ist, womit sich, in Anbetracht des schwachen Wirtschaftswachstums, ein Teufelskreis schließt. Die Aktivitäten der Aufsichts- und Regulierungsbehörden im Finanzsektor waren bisher eher durch ein duldsames Verhalten gegenüber den Banken gekennzeichnet. Dies hat Bail-Out-Erwartungen bei den Kreditinstitutionen geweckt. Entschiedenere Maßnahmen, die Optionen für ein abwartendes Verhalten im Bankensektor beseitigen, sind dringend erforderlich, u.a. eine Erhöhung der Kapitalquoten. Darüber hinaus sind Maßnahmen erforderlich, die die Qualität neuer Kredite erheblich verbessern und die Banken veranlassen, vor allem hochrentable innovative Projekte zu finanzieren. Dazu gehören Maßnahmen im Rahmen der sogenannten Asset Quality Reviews, die auf eine höhere Transparenz des Kreditportfolios und eine Bewertung der Aktiva der Banken durch die Aufsichtsbehörden setzen. Es ist zu empfehlen, hier insbesondere die sich abzeichnenden Standards in der EU zu übernehmen. Für einige Länder - Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Kroatien - sollte nach einem effektiven Asset Quality Review und unabhängigen Stresstests die Einrichtung einer Bad Bank zur Abwicklung notleidender Kredite erwogen werden. Nettokapitalzuflüsse haben zur realen Aufwertung der Westbalkanländer beigetragen; insofern sind auch die Leistungsbilanzdefizite von ihnen maßgeblich verursacht. Allerdings eignet sich ein freier Wechselkurs nicht zur Abwehr unerwünschter Kapitalzuflüsse; er ist sogar ein Hemmnis für die kurz- und mittelfristige Stärkung der Exporttätigkeit. Deshalb sollte in Albanien und Serbien der Übergang zu einem intermediären Wechselkurssystem mit größeren Bandbreiten erwogen werden. Eine Erweiterung der bestehenden Bänder in Kroatien und Mazedonien wäre allerdings ebenfalls dazu geeignet, spekulativen Marktdruck zu verringern. Ein Übergang zu einer eigenen Währung können wir für den Kosovo und Montenegro nicht empfehlen, weil dann eine eigenständige Geld- und Wechselkurspolitik angesichts der geringen Größe der Länder kaum möglich ist und hohe Kosten bei der Abwehr spekulativer Attacken auf die Geld- und Währungspolitik zu erwarten wären. Hier empfehlen wir - wie übrigens auch für die anderen Länder - Maßnahmen zur Steuerung von Kapitalzuflüssen wie etwa die Nutzung der Mindestreserven Politik und die Einhebung von diversifizierten Steuern auf Kapitalzuflüsse. Zumal also meistens eine fixe Bindung zum Euro eingegangen worden ist oder dieser überhaupt unilateral übernommen wurde, fällt kurzfristig eine substantielle nominelle Währungsabwertung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit für alle Länder der Region als wirtschaftspolitisches Instrument aus. Durch den hohen Euroisierungsgrad bei Krediten an private Unternehmen und Haushalte und die steigende Auslandsverschuldung in allen Westbalkanländern werden darüber hinaus stärkere Abwertungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auch immer unwahrscheinlicher. Als Substitut einer Währungsabwertung wurde von allen Westbalkanstaaten über die letzten Jahre hinweg, mehr oder weniger bewusst, eine fiskalische Abwertung betrieben. In den meisten Ländern der Region wurden Umsatzsteuersätze erhöht und Einkommensteuersätze und Sozialversicherungsabgabensätze gesenkt. Insgesamt dürften die steuerlichen Veränderungen der letzten Jahre zwar ihren Zweck zur Förderung von Importsubstitution und Export erfüllt haben, aber auch zu einer Mehrbelastung einkommensschwacher Gruppen bei gleichzeitiger Entlastung der Spitzenverdiener geführt haben. Auch regionale und sektorale strukturpolitische Maßnahmen mit Hilfe von Investitionsförderungen, Subventionen und Steuervergünstigungen sind in den letzten Jahren in der Region Westbalkan verstärkt zum Einsatz gekommen. Inwiefern die Investitionsförderungstätigkeit am Westbalkan auch erfolgreich war, lässt sich aber, zumindest kurzfristig, nur schwer beurteilen. Ähnliches gilt vermutlich neben der Strukturpolitik auch für die Ordnungspolitik. Langfristig ist aber die Aussicht auf einen EU-Beitritt ein entscheidender Faktor, der zu einer nachhaltigen Verbesserung des Ordnungsrahmens in den Westbalkanländern führt. Eine tatkräftige Unterstützung der Westbalkanländer in der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch die Europäische Union könnte für beide Seiten von langfristigem Vorteil sein. Dass aber ein EU-Beitritt allein nicht alle Defizite der Wettbewerbsfähigkeit bereinigt zeigt das Beispiel Kroatiens. English Summary Improving Competitiveness in the Balkan Region The aim of this study is to analyse the state of the competitiveness of seven Western Balkan economies and to suggest policy recommendations in order to increase their capacity to compete. Most countries from the Western Balkans have a persistent current account deficit of about 10% of GDP which indicates their substantial lack of competitiveness. Also their goods export share makes only about 20% of GDP while it is around 70% for the new EU member states in Central Europe. Contrary to their northern neighbours, the Western Balkan countries have specialised in low and low-medium tech industries and have only little higher-tech products e.g. from the machinery and automotive or chemical industry to offer on the international markets. Several of these countries are excluded from international production networks. The quality of the institutions in the Western Balkans is weak but improving with further steps in the European integration process; the EU acts as an anchor of institutional stability. There are still considerable administrative and technical barriers to trade. Public transport infrastructure is more often than not in a very bad shape. Most of these countries are excluded from the international transport networks. Also the human capital could be improved. Unemployment is extremely high and large parts of the population are stuck in subsistence farming or are migrating. The labour market has problems to absorb the idle labour force. Financing is clearly a major restriction for an increase in much needed productive capacities. Real interest rates are high, the share of non-performing loans is large and credit growth is weak. A number of policy recommendations are made. Most of the countries need strong investment in transport infrastructure, both to connect internally as well as to connect across borders. Some also need substantial investment in their ailing energy infrastructure. Additional support for foreign direct investment could quickly generate new production capacities and transfer of technology. Given that most of the Western Balkan economies have either unilaterally adopted the euro or have pegged their currency to the euro, monetary and exchange rate policy is not available as a tool to foster competitiveness. An alternative option would be to support social partnership and a cooperative incomes policy that aims to orientate itself at full employment, productivity gains and inflation. For some of the more developed economies, investment into a dual system of vocational education could be costly but beneficial. Lower priced measures that in part could also be implemented more quickly include the following policies An administrative reform should aim at increasing the absorption capacities of EU support funds in order to identify and co-finance the most advantageous projects. A quick solution of the dragging issue of non-performing loans could cause a much needed improvement in credit activity. A measure that could be implemented in a budgetary neutral way is a fiscal devaluation, whereby an increase of the value added tax and a reduction of the employer’s social security contribution could have the same competitiveness improving effects as a nominal exchange rate devaluation.

Suggested Citation

  • Hubert Gabrisch & Doris Hanzl-Weiss & Mario Holzner & Michael Landesmann & Johannes Pöschl & Hermine Vidovic, 2015. "Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Balkanregion – Möglichkeiten und Grenzen," wiiw Research Reports in German language 3, The Vienna Institute for International Economic Studies, wiiw.
  • Handle: RePEc:wii:ratpap:rpg:3
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    References listed on IDEAS

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    Citations

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    Cited by:

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    competitiveness; economic policy; non-performing loans; capital inflow; real exchange rate; production networks; trade in goods; trade in services; foreign direct investment; labour market; migration; infrastructure; dual education; fiscal devaluation; Western Balkans;
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