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Abstract
Zusammenfassung Arthur Percival wurde die Hauptfigur in einem tragischen Kapitel der britischen Geschichte, die nicht wenige für den Wendepunkt in der Historie des Empires halten. Als Schüler und Student war er bestenfalls Mittelmaß, für Griechisch und Latein fehlte es ihm an Begabung und Interesse an anderen akademischen Fächern ließ er auch nicht erkennen. Dafür reüssierte er im Sport: Kricket, Tennis und Querfeldeinläufe waren seine Stärke und auch im Schießverein seiner Schule, dem Privatinternat Rugby, tat er sich mit guten Resultaten hervor. Freiwillig meldete Percival sich gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges, den er als vielfach dekorierter Offizier und Kommandeur einer Brigade beendete. Während des Zweiten Weltkrieges befehligte er die stärkste britische Festung in Südostasien – Singapur, das als uneinnehmbares Bollwerk im Krieg gegen das imperiale Japan galt. Die Garnison mit 85.000 Soldaten und imposanten Kanonenbatterien oberhalb des Hafens war der Stolz der Kolonialverwaltung. Bis zum Februar 1942, als der japanische General Tomoyuki Yamashita sich mit 30.000 Soldaten durch den malayischen Dschungel schlug und von der Landseite kommend die unvorbereiteten Verteidiger überraschte (Hall 1983). Nach Tagen heftiger Abwehrgefechte entschied sich Percival zur Kapitulation der Garnison. Churchill sprach von der „größten Niederlage“ in der Geschichte des Landes (Langworth 2017). Noch Wochen später hielt er immer wieder inne, starrte auf den Boden, und murmelte: „Über Singapur komme ich nicht hinweg“ (zitiert in Moran 1966, S. 29). Dabei trieb den Premierminister mehr um als die strategische Rolle der Festung Singapur und die Konsequenzen der Niederlage für den Fortgang des Krieges gegen Japan. Churchill, der Autor einer mehrbändigen monumentalen Geschichte der englischsprachigen Völker, dachte in längeren Perspektiven. Seine politische Leidenschaft von der Jugend an galt dem Empire, dessen Stärke und Integrität er erhalten wollte. Er war aufgewachsen in einer Zeit, als britische Expeditionsarmeen keine Grenzen und Hindernisse kannten. Zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert waren 171 der 193 Staaten, die heute den Vereinten Nationen angehören, von Soldaten besetzt, die ihre Befehle aus London erhielten (Brown 2017). Die Niederlage gegen Japan in Singapur änderte mit einem Mal für jeden sichtbar diese Machtverhältnisse, erschütterte das Empire und setzte Kräfte frei, die dessen Untergang beschleunigten. Der Mythos europäischer Überlegenheit war spätestens1942 gebrochen, die Zeiten, in denen sich 200 Millionen Inder von nur 6000 britischen Soldaten kontrollieren ließen, endgültig vorüber. Bei den Anhängern der lange unterdrückten nationalen Freiheitsbewegungen in den Kolonien setzte sich die Einsicht durch, dass die weißen europäischen Herren verwundbar waren. In den Korridoren des Regierungsviertels Whitehall in London machte sich unterdessen Nervosität breit wie nie zuvor. Die klassisch gebildete Elite war in Sorge, dass dem Empire das gleiche Ende bestimmt sein könnte wie dem Römischen Reich vor ihm. Die Wiederholung der Geschichte zeichnete sich am Horizont ab (Paxman 2012). Denn auch in Europa lieferte der Weltkrieg ein Beispiel für die erstaunliche ökonomische und militärische Schwäche des Empire: Churchill musste bei Präsident Roosevelt um militärische Hilfe betteln. Sein Nachfolger in 10 Downing Street, Clement Attlee, konnte den Staatsbankrott nur abwenden, weil ihm die USA und Kanada 1946 einen Kredit gewährten. Der Preis für die Hilfe war hoch. Die amerikanischen Geldgeber verlangten für ihre Unternehmen vollen Zugang zu Großbritanniens kolonialen Märkten. Das war nichts anderes als eine Aufforderung zur Dekolonialisierung, wie sie in der Atlantik-Charta zwischen London und Washington und später in den Grundsätzen der Vereinten Nationen festgeschrieben wurde (Louis 1978). Die indische Unabhängigkeitsbewegung nutzte die Gelegenheit und trieb Großbritanniens Kolonialverwaltung und den Vizekönig Lord Mountbatten of Burma zum Abzug. Premierminister Attlee gab dem Druck auf dem Subkontinent nach und überzeugte sein Kabinett von der Klugheit eines Abzugs aus Indien mit einem strategischen Argument: Seit die Sowjetunion Großbritannien mit Atomraketen bedrohte, sei die Stationierung von Marine und Infanterie in den militärischen Stützpunkten der Kolonien nur noch von geringer Bedeutung für den Schutz des Mutterlandes. Deshalb ließen sich die Kosten für den Verbleib kaum mehr rechtfertigen gegenüber der Bevölkerung zu Hause, die unter Lebensmittelrationierung und Wohnungsnot litt. So bewilligte das Kabinett auch den hastigen und ungeordneten Rückzug aus Palästina, wo Terroristen mit Bombenanschlägen den Briten das Leben schwermachten (Brendon 2008).
Suggested Citation
Christian Schnee, 2022.
"The Wind of Changes – Was bleibt vom Empire?,"
Springer Books, in: Das Vereinigte Königreich, chapter 27, pages 515-527,
Springer.
Handle:
RePEc:spr:sprchp:978-3-658-37388-7_27
DOI: 10.1007/978-3-658-37388-7_27
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