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Abstract
Seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er-Jahren hat das Konzept "sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe" sowohl in der sozialwissenschaftlichen Forschung als auch im gesellschaftlich-politischen Diskurs an Bedeutung gewonnen. Die vorliegende Arbeit von Marcela Muñiz-Pivaral setzt sich aus dekolonial-feministischer Perspektive kritisch damit auseinander. Eingangs stellt die Autorin einen thematischen Bezug zum genozidalen Bürgerkrieg in ihrem Heimatland Guatemala her, in dem sexualisierte Gewalt massiv stattfand. Sie analysiert das Konzept aber nicht anhand dieses Beispiels, sondern erläutert die Entwicklung der These von sexualisierter Gewalt als Mittel zur Schaffung von Angst in Kriegszeiten im Kontext der kriegerischen Ereignisse in den 1990er-Jahren im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda. Der damals erhobenen Forderung, Vergewaltigung als Kriegswaffe anzuerkennen, folgte die Kritik, dass damit die potenzielle Viktimisierung aller Frauen einhergehen könnte. Marcela Muñiz-Pivaral arbeitet die Entwicklung der politischen und theoretischen Debatte mit der nötigen kritischen Distanz auf. Sie geht zunächst auf die (feministische) Kritik am Kriegswaffen-Paradigma ein, das Anlass dazu geben kann, die sich aus den herrschenden hierarchischen Gendernormen ergebende Alltäglichkeit sexualisierter Gewalt außer Acht zu lassen. Denn es gilt zu beachten, dass die Wirksamkeit sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe in den Symboliken begründet liegt, auf denen Gendernormen auch in Friedenszeiten basieren. Darüber hinaus betont die Autorin das Risiko der Essentialisierung sowohl von Opfer-Überlebenden als auch Täter*innen, wenn nämlich deren konkreten Erfahrungen ausgeklammert und die große Vielfalt an Ausformungen, die sexualisierte Gewalt annehmen kann, zu stark homogenisiert wird. Dadurch geht Aufmerksamkeit für den konkreten sozialen Kontext und die Machtverhältnisse, in den sich die Taten abspielen, verloren. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist insbesondere Marcela Muñiz-Pivarals Herausarbeitung der problematischen Nord-Süd-Symboliken, die mit dem Paradigma sexualisierter Gewalt als Kriegswaffe verbunden sind, von Bedeutung. Diese zeigen sich anhand einer häufig erfolgenden konzeptuellen Unterscheidung zwischen "zivilisierter" (von der westlichen Wertgemeinschaft verübter) und "barbarischer" Gewalt, wobei insbesondere afrikanischen Ländern ein Potenzial für letztere zugeschrieben wird. Eine solche Unterscheidung vertieft die globale Zuschreibung vergeschlechtlichter und rassialisierter Ungleichheiten und kann der Festigung politischer und ökonomischer Hierarchien dienen. Dass die öffentliche, private und zivilgesellschaftliche Entwicklungszusammenarbeit die Hilfe für Opfer-Überlebende zu einem beliebten Handlungsfeld erklärt hat, leistet zudem der ohnehin angelegten Entpolitisierung des Themas Vorschub. Genau gegen diese Entpolitisierung stellt sich die Autorin, indem sie fordert, Gewalt als Kontinuum zu sehen sowie den jeweiligen Kontext als auch die heterogenen Ausformungen im Blick zu behalten. Marcela Muñiz-Pivarals Arbeit stellt nicht nur einen ausgezeichneten Beitrag zur kritisch-theoretischen Debatte dar, sondern sie mahnt darüber hinaus auf gesellschaftlich-politischer Ebene zur Vorsicht beim Gebrauch allzu generalisierter Konzepte, indem sie aufzeigt, wie leicht Essentialisierungen zu politischen Instrumentalisierungen entgleisen können.
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