Zur Entwicklung der öffentlichen Haushalte 1992/93: Finanzpolitik am Scheideweg

Die Anforderungen an die Finanzpolitik im schwierigen Prozeß der deutschen Einigung sind nach wie vor sehr hoch. Die Zweifel mehren sich, daß sie angemessen erfüllt werden. Es fehlt ein schlüssiges Konzept, das zeigt, welchen Beitrag die Politik zur Bewältigung der Anpassungskrise in Ostdeutschland leisten kann und will. Die Bundesregierung hält Steuererhöhungen über die beschlossene Mehrwertsteueranhebung hinaus noch immer für vermeidbar; sie strebt statt dessen einen strikten Sparkurs an. Die Gefahren einer solchen Politik liegen auf der Hand: Dringend benötigte Mittel für den Aufbau und die Stabilisierung der ostdeutschen Wirtschaft könnten dem Rotstift zum Opfer fallen. Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur sind aber wesentliche Voraussetzung für einen "Aufschwung Ost": Geht der Politik nun die Luft aus, nimmt sie sogar die Schwächung der staatlichen Einnahmenbasis in Kauf. Zudem wird die Lösung der Probleme erschwert, die in den nächsten Jahren auf die öffentlichen Haushalte zukommen: der gewaltige Schuldendienst für die Altschulden der DDR und für die Schulden der Treuhandanstalt sowie die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs.