IDEAS home Printed from https://ideas.repec.org/p/mar/volksw/200705.html
   My bibliography  Save this paper

Zerstört der Sozialstaat die Familie?

Author

Listed:
  • Evelyn Korn

    (Faculty of Business Administration and Economics, Philipps Universitaet Marburg)

Abstract

Ehe und Familie wird durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ein besonderer Schutz zugestanden. Basis für diese Sonderstellung ist die Idee, dass die Familie einen Schutzraum für die Erziehung von Kindern als den künftigen Trägern der Gesellschaft bieten soll. Für die Gründerväter (!) der Bundesrepublik war dabei klar, dass die Schließung einer Ehe eine notwendige Bedingung für die Gründung einer Familie sei. In den nicht einmal 60 Jahren, die seit der ersten Fassung des Grundgesetzes vergangen sind, hat sich das Ehe- und Familienbild in der Bundesrepublik jedoch dramatisch verändert. Der Wunsch, einen Schutzraum zu schaffen, den Menschen nutzen um Kinder zu erziehen, hat sich offenbar nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil: Die Zahl der Kinder in der Bundesrepublik sinkt beständig1 und mit 1,35 Kindern (im Jahr 2004) bekommen deutsche Frauen weniger Kinder als Frauen in anderen europäischen Ländern.2 Gleichzeitig haben sich Familie und Ehe entkoppelt. „Familie“ ist aus heutiger Sicht da, wo Kinder sind. Dass dies nicht mehr unbedingt an eine Ehe gebunden ist, wird daran deutlich, dass im Jahr 2005 etwa 29% aller lebend geborenen Kinder nichtehe- lich waren (im Vergleich zu 9% nichtehelicher Kinder im Jahr 1955, s. „Bevölkerungsbewegung“, Statistisches Bundesamt). Auch Heirats- und Scheidungsziffern zeigen, dass die lebenslange Ehe nicht mehr das einzige Lebensmodell in der Bundesrepublik ist. So lag im Jahr 1970 die Wahrscheinlichkeit, dass eine bis dahin unverheiratete Frau je heiraten würde, bei fast 100%, während diese Wahrscheinlichkeit im Jahr 2002 nur noch bei 60% lag (Peuckert (2005)). Umgekehrt waren bis 2005 nur 18% der Ehen, die im Jahr 1960 geschlossen worden waren, geschieden jedoch bereits fast 35% der Ehen, die im Jahr 1980 geschlossen worden waren (Böttcher (2006) und Peuckert (2005)). Sinkende Kinderzahlen und Heiratsziffern sowie steigende Scheidungsraten führen unmittelbar zu der Frage, ob das Ziel des Gesetzes tatsächlich erreicht wurde, bzw. ob geeignete Maßnahmen ergriffen wurden, um seinen Inhalt umzusetzen. Positiv formuliert stellt sich die Frage, wie Familienpolitik beschaffen sein muss, um Ehe und Familie tatsächlich zu schützen. Ein Blick auf die familienbezogene Tagespolitik der Jahre 2006 und 2007 vermittelt einen Eindruck, wie dringend diese Frage zu stellen ist. So wurde im April 2006 ein Referentenentwurf (Bundestagsdrucksache Nr. 16/1830 vom 15.6.2006, S. 37f) zum Unterhaltsrecht von der Bundesregierung verabschiedet und befindet sich im Gesetzgebungsverfahren, der explizit darauf zielt, die Anreize für geschiedene Männer, insbesondere Väter, zu erhöhen, eine zweite Familie zu gründen. Dies soll dadurch geschehen, dass die Zahlungsansprüche der ersten Ehefrau und – bei mittleren und höheren Einkommen auch der Kinder aus der ersten Ehe – reduziert werden. Im Frühjahr 2007 erhitzen sich die Gemüter über die Frage, ob die Anzahl der Kinderbetreuungsplätze in der Bundesrepublik – wie von Familienministerin Ursula von der Leyen vorgeschlagen – massiv erhöht werden sollte, um berufstätigen Eltern (hier vor allem Müttern) die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Die Gegenposition hierzu – vertreten von Parteikollegen der Ministerin sowie kirchlichen Würdenträgern – befürchtet durch eine solche Erhöhung die Schwächung von Ehe und Familie. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie familienpolitische Maßnahmen auf die Entscheidung, eine Familie zu gründen, wirken. Sie nutzt dafür einen institutionenökonomischen Ansatz. Es zeigt sich, dass eine Familienpolitik, die Ehe und Familie stärkt, nicht zu installieren ist, weil sich die beiden Ziele widersprechen. Die Analyse geht in zwei Schritten vor: Sie erläutert zunächst, wie die Entstehung von Institutionen wie Ehe und Familie grundsätzlich zu erklären ist. Hierzu existiert bereits eine umfangreiche Literatur, die im Folgenden kurz dargestellt wird. Daran anknüpfend wendet sich die Arbeit der Frage zu, wie sich Menschen an einmal existierende Institutionen anpassen und durch ihr Verhalten einen Wandel des Konzepts der Familie auslösen. Dies geschieht zunächst allgemein und schließlich in Bezug auf die zuvor genannten tagespolitischen Thesen.

Suggested Citation

  • Evelyn Korn, 2007. "Zerstört der Sozialstaat die Familie?," Marburg Working Papers on Economics 200705, Philipps-Universität Marburg, Faculty of Business Administration and Economics, Department of Economics (Volkswirtschaftliche Abteilung).
  • Handle: RePEc:mar:volksw:200705
    as

    Download full text from publisher

    File URL: http://www.uni-marburg.de/fb02/makro/forschung/gelbereihe/artikel/2007-05_korn.pdf
    File Function: First version, 2007
    Download Restriction: no
    ---><---

    Other versions of this item:

    References listed on IDEAS

    as
    1. Fernández, Raquel & Olivetti, Claudia & Fogli, Alessandra, 2002. "Marrying Your Mom: Preference Transmission and Women's Labour and Education Choices," CEPR Discussion Papers 3592, C.E.P.R. Discussion Papers.
    2. Korn, Evelyn, 2000. "On the Formation of Family Structures," Public Choice, Springer, vol. 105(3-4), pages 357-372, December.
    3. Claudia Goldin & Lawrence F. Katz, 2002. "The Power of the Pill: Oral Contraceptives and Women's Career and Marriage Decisions," Journal of Political Economy, University of Chicago Press, vol. 110(4), pages 730-770, August.
    4. Myrna Wooders & Hugo van den Berg, 2001. "The battle of the sexes over the distribution of male surplus," Economics Bulletin, AccessEcon, vol. 3(17), pages 1-9.
    5. Lagerlöf, Nils-Petter & Edlund, Lena, 2006. "Individual vs. Parental Consent in Marriage: Implications for Intra-Household Resource Allocation and Growth," CEPR Discussion Papers 5474, C.E.P.R. Discussion Papers.
    6. Evelyn Korn & Lena Edlund, 2006. "Hermaphroditism: What’s not to Like?," Marburg Working Papers on Economics 200604, Philipps-Universität Marburg, Faculty of Business Administration and Economics, Department of Economics (Volkswirtschaftliche Abteilung).
    7. George A. Akerlof & Janet L. Yellen & Michael L. Katz, 1996. "An Analysis of Out-of-Wedlock Childbearing in the United States," The Quarterly Journal of Economics, President and Fellows of Harvard College, vol. 111(2), pages 277-317.
    8. Aloysius Siow, 1998. "Differential Fecundity, Markets, and Gender Roles," Journal of Political Economy, University of Chicago Press, vol. 106(2), pages 334-354, April.
    9. Jacoby, Hanan G, 1995. "The Economics of Polygyny in Sub-Saharan Africa: Female Productivity and the Demand for Wives in Cote d'Ivoire," Journal of Political Economy, University of Chicago Press, vol. 103(5), pages 938-971, October.
    10. Lena Edlund, 2006. "Marriage: Past, Present, Future?," CESifo Economic Studies, CESifo Group, vol. 52(4), pages 621-639, December.
    Full references (including those not matched with items on IDEAS)

    Citations

    Citations are extracted by the CitEc Project, subscribe to its RSS feed for this item.
    as


    Cited by:

    1. repec:zbw:rwirep:0196 is not listed on IDEAS
    2. Anna Klabunde & Evelyn Korn, 2010. "Parasites and Raven Mothers: A German-Japanese Comparison on (Lone) Motherhood," Ruhr Economic Papers 0196, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Ruhr-Universität Bochum, Universität Dortmund, Universität Duisburg-Essen.
    3. Klabunde, Anna & Korn, Evelyn, 2010. "Parasites and Raven Mothers: A German-Japanese Comparison on (Lone) Motherhood," Ruhr Economic Papers 196, RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Ruhr-University Bochum, TU Dortmund University, University of Duisburg-Essen.
    4. Anna Klabunde & Evelyn Korn, 2010. "Parasites and Raven Mothers: A German-Japanese comparison on (lone) motherhood," MAGKS Papers on Economics 201023, Philipps-Universität Marburg, Faculty of Business Administration and Economics, Department of Economics (Volkswirtschaftliche Abteilung).

    Most related items

    These are the items that most often cite the same works as this one and are cited by the same works as this one.
    1. Lena Edlund, 2013. "The Role of Paternity Presumption and Custodial Rights for Understanding Marriage Patterns," Economica, London School of Economics and Political Science, vol. 80(320), pages 650-669, October.
    2. Ana Nuevo-Chiquero, 2014. "Out-of-Wedlock Fertility, Post-Pregnancy Choices and Contraceptive Usage," Working Papers 2014009, The University of Sheffield, Department of Economics.
    3. Alessandra Fogli & Laura Veldkamp, 2007. "Nature or nurture? learning and female labor force dynamics," Staff Report 386, Federal Reserve Bank of Minneapolis.
    4. Jeremy Greenwood & Nezih Guner & Guillaume Vandenbroucke, 2017. "Family Economics Writ Large," Journal of Economic Literature, American Economic Association, vol. 55(4), pages 1346-1434, December.
    5. Steven Ruggles, 2015. "Patriarchy, Power, and Pay: The Transformation of American Families, 1800–2015," Demography, Springer;Population Association of America (PAA), vol. 52(6), pages 1797-1823, December.
    6. Fischer, Stefanie & Royer, Heather & White, Corey, 2017. "The Impacts of Reduced Access to Abortion and Family Planning Services: Evidence from Texas," IZA Discussion Papers 10920, Institute of Labor Economics (IZA).
    7. Bowmaker, Simon W. & Emerson, Patrick M., 2009. "Still Waiting for Mister Right? Asymmetric Information, Abortion Laws and the Timing of Marriage," IZA Discussion Papers 4176, Institute of Labor Economics (IZA).
    8. Kelly Ragan, 2012. "Sex and the Single Girl: The Role of Culture in Contraception Demand," 2012 Meeting Papers 846, Society for Economic Dynamics.
    9. Jeanne Lafortune & Corinne Low, 2023. "Collateralized Marriage," American Economic Journal: Applied Economics, American Economic Association, vol. 15(4), pages 252-291, October.
    10. Raquel Fernandez & Alessandra Fogli & Claudia Olivetti, 2004. "Preference Formation and the Rise of Women's Labor Force Participation: Evidence from WWII," NBER Working Papers 10589, National Bureau of Economic Research, Inc.
    11. Van Effenterre, Clémentine, 2020. "Papa does preach: Daughters and polarization of attitudes toward abortion," Journal of Economic Behavior & Organization, Elsevier, vol. 179(C), pages 188-201.
    12. Claudia Goldin & Lawrence F. Katz, 2002. "The Power of the Pill: Oral Contraceptives and Women's Career and Marriage Decisions," Journal of Political Economy, University of Chicago Press, vol. 110(4), pages 730-770, August.
    13. Steingrimsdottir, Herdis, 2020. "The decreased popularity of the teaching sector in the 1970s," Economics of Education Review, Elsevier, vol. 74(C).
    14. Melanie Guldi, 2008. "Fertility effects of abortion and birth control pill access for minors," Demography, Springer;Population Association of America (PAA), vol. 45(4), pages 817-827, November.
    15. Joelle Abramowitz, 2014. "Turning back the ticking clock: the effect of increased affordability of assisted reproductive technology on women’s marriage timing," Journal of Population Economics, Springer;European Society for Population Economics, vol. 27(2), pages 603-633, April.
    16. Hanzhe Zhang, 2021. "An Investment-and-Marriage Model with Differential Fecundity: On the College Gender Gap," Journal of Political Economy, University of Chicago Press, vol. 129(5), pages 1464-1486.
    17. Aloysius Siow, 2008. "How does the marriage market clear? An empirical framework," Canadian Journal of Economics/Revue canadienne d'économique, John Wiley & Sons, vol. 41(4), pages 1121-1155, November.
    18. Lina Aldén & Lena Edlund & Mats Hammarstedt & Michael Mueller-Smith, 2015. "Effect of Registered Partnership on Labor Earnings and Fertility for Same-Sex Couples: Evidence From Swedish Register Data," Demography, Springer;Population Association of America (PAA), vol. 52(4), pages 1243-1268, August.
    19. Ellen R. McGrattan & Richard Rogerson, 2004. "Changes in hours worked, 1950?2000," Quarterly Review, Federal Reserve Bank of Minneapolis, vol. 28(Jul), pages 14-33.
    20. Tiago V. de V. Cavalcanti & José Tavares, 2008. "Assessing the "Engines of Liberation": Home Appliances and Female Labor Force Participation," The Review of Economics and Statistics, MIT Press, vol. 90(1), pages 81-88, February.

    More about this item

    Statistics

    Access and download statistics

    Corrections

    All material on this site has been provided by the respective publishers and authors. You can help correct errors and omissions. When requesting a correction, please mention this item's handle: RePEc:mar:volksw:200705. See general information about how to correct material in RePEc.

    If you have authored this item and are not yet registered with RePEc, we encourage you to do it here. This allows to link your profile to this item. It also allows you to accept potential citations to this item that we are uncertain about.

    If CitEc recognized a bibliographic reference but did not link an item in RePEc to it, you can help with this form .

    If you know of missing items citing this one, you can help us creating those links by adding the relevant references in the same way as above, for each refering item. If you are a registered author of this item, you may also want to check the "citations" tab in your RePEc Author Service profile, as there may be some citations waiting for confirmation.

    For technical questions regarding this item, or to correct its authors, title, abstract, bibliographic or download information, contact: Bernd Hayo (email available below). General contact details of provider: https://edirc.repec.org/data/vamarde.html .

    Please note that corrections may take a couple of weeks to filter through the various RePEc services.

    IDEAS is a RePEc service. RePEc uses bibliographic data supplied by the respective publishers.